„Wege ins Wunderland“ ist eine lebendige, spannende Literatur- und Zeitgeschichte über die großen englischen Kinderbuchautoren, die uns alle mit ihren Geschichten bezaubert haben. 

Die Lebensgeschichten, verbunden mit Inhaltsangabe und Interpretation von Lewis Carroll (Alice im Wunderland), J.M.Barrie (Peter Pan), R.L. Stevenson (Die Schatzinsel), R. Kipling (Dschungelbuch), K. Grahame (Wind in den Weiden), A.A. Milne (Pu, der Bär), E. Nesbit (Die Kinder von Arden), F.H. Burnett (Der geheime Garten), H. Lofting (Dr. Dolittle), P.L.Travers (Mary Poppins) J.K. Rowling (Harry Potter), eröffnen jene Wege, auf denen die weltberühmten Geschöpfe ihrer Phantasie ins Wunderland gelangten, von Alice bis zu Harry Potter - dem erfolgreichsten Titelhelden unserer Tage.

Thema und Anlage des Buches entsprechen den einschlägigen Zielsetzungen mehrerer Arbeitsgemeinschaften, an denen durchweg junge Auszubildende des deutschen Buchhandels teilnahmen. Ihnen dankt der Autor für viele nützliche Fragen, Hinweise und Anregungen. 

 ISBN- 13stellig 978- 3-939367-00-1
 € (D) 20,00


Um es vorwegzunehmen: Dieses Buch ist eine Fundgrube! Unentbehrlich für alle, die sich mit englischer Literatur, insbesondere englischer Kinder- und Jugendliteratur befassen. Äußerst kenntnisreich führt Wolfgang Günther in die Wunderwelten ein, die Autorinnen und Autoren der letzten 150 Jahre in Großbritannien für ihre Leser geschaffen haben. Dabei geht er so vor, dass er die oft mit liebevollen Details angereicherte Biografie eines Autors an den Anfang stellt und vor diesem Hintergrund die Besonderheit des jeweiligen Buches entfaltet. Mir gefällt dieser biografische Zugang, gibt er doch die Möglichkeit sowohl historischen Kontext als auch persönliche Lebenswelt des Autors einzubeziehen und so das Verständnis auch für die Bücher zu wecken, die heute als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden. Dass gerade etliche dieser Bücher zu ihrer Zeit aufklärerisch und sozialkritisch waren und von den Visionen einer besseren Welt bestimmt wurden, ist dabei besonders interessant.
 Lewis Carroll, James Matthew Barrie, Robert Louis Stevenson, Rudyard Kipling, Kenneth Grahame, Alan Alexande Milne, Edith Nesbit, Frances Hodgson Burnett, Hugh Lofting, Pamela Lyndon Travers, Joanne Kathleen Rowling – mit diesen elf Autoren spannt Günther einen weiten Bogen, der uns aus dem viktorianischen England in die Jetztzeit führt. Dabei stehen folgende Titel im Mittelpunkt: Alice im Wunderland, Peter Pan, Die Schatzinsel, Das Dschungelbuch, Wind in den Weiden, Pu der Bär, Der geheime Garten, Doktor Doolittle, Mary Poppins und Harry Potter.
 Beim Lesen der einzelnen Bücher würden sich die verbindenen Elemente zwischen den verschiedenen Zauberwelten nicht immer gleich erschließen. Günthers behutsame, sehr an der Handlung und den Figuren orientierten Interpretationen und Deutungsansätze decken diese aber auf und geben wertvolle Hinweise. Er geht auch auf unbekanntere Werke ein und macht so neugierig auf das gesamte Schaffen der Autorinnen und Autoren. Oftmals durch persönliche Schicksalsschläge geprägt, treten diese nicht mit kindertümelnder Herablassung, sondern mit großer Ernsthaftigkeit, mit Humor, Witz und einem enormen Einfallsreichtum an ihre (kindlichen) Leser heran. Sie schaffen Wunderwelten, in denen Gesetze des „normalen“ Alltags außer Kraft gesetzt werden und in denen Skurriles einen hohen Wert hat. Träume, Sehnsüchte und Ängste von Kindern und Erwachsenen lassen sich dort festmachen und vielleicht ansatzweise auch bannen. So gesehen ist Harry Potter Teil einer langen literarischen Tradition in Großbritannien, die als Charakteristikum neben der Entfaltung von „Fantasy“ fast immer auch Anzeichen von „Nonsens“ beinhaltet. Ein Anhang umfasst wichtige Hinweise auf die verschiedenen Ausgaben der genannten Artikel, kommentierte deutsche und englische Sekundärliteratur und auch Verweise auf Verfilmungen. Das umfangreiche Personenregister am Schluss zeigt noch einmal, wie breit Günther seine Arbeit angelegt hat: Er beschreibt einen Ausschnitt englischer Literaturgeschichte.
 Diesem lebendigen, informativen Buch wünsche ich viele Leserinnen und Leser; nicht nur unter denjenigen, die sich bereits in englischer (Kinder-)Literatur auskennen, sondern auch unter denen, die noch nicht den passenden Zugang für sich gefunden haben – Wolfgang Günthers Band macht die Beschäftigung damit zu einem Vergnügen.


JULIT Arbeitskreis für Jugendliteratur, Nr.4/06
Rezension Heide Niemann

Liest sich wie ein Roman: 40 Jahre Lehrtätigkeit als Dozent an den Schulen des Deutschen Buchhandels gerinnen in Wolfgang Günthers „Wege ins Wunderland“ (Edition Martin Gold) in einer locker geschriebenen Literatur- und Zeitgeschichte über britische Kinderbuchautoren. Mit großer Detailkenntnis und psychologischem Feingefühl entwirft Günther Lebensbilder, die äußerst aufschlussreich für die Werke sind – eine lohnenswerte Fundgrube auch für Buchhändler.


Börsenblatt des Deutschen Buchhandels Spezial-Heft Kinder- und Jugendliteratur September 2006

Kinderbuchklassiker
von Barbara von Korff-Schmising


Für die allgemeine Literaturwissenschaft ist es selbstverständlich, Werk und Leben eines Autors als Einheit zu sehen. Wer sich hinter unseren Kinderbuchklassikern verbirgt, wissen nur wenige. 

Wolfgang Günther, 40 Jahre lang Dozent an den Schulen des Deutschen  Buchhandels, 
legt elf Lebensläufe englischer Kinderbuchautoren und  -autorinnen vor, nebst einer Darstellung und Interpretation ihrer bekanntesten Werke. 
Hat Rudyard Kipling eigentlich selbst in Indien gelebt? Waren die Autorinnen 
Edith Nesbit oder Frances Burnett schüchterne Hauslehrerinnen, die für ihre Schützlinge schrieben, oder Damen von Welt? All diese Fragen beantwortet Wolfgang Günther flott
und leichthändig.

Schon bald taucht man in schicksalsgeladene, wechselvolle Biografien ein und staunt nicht wenig über finanzielle Erfolge, gesellschaftliche Anerkennung, auch Glamour Capricen besagter Autorinnen. Die Klugheit von Pamela Lyndon Travers (Mary Poppins) „setzte Männer wie Yeats und Russell in Staunen“. Als Kipling erkrankte, erkundigte sich Kaiser 
Wilhelm nach seinem Befinden. A. A. Milne (Winnie the Pooh), ein hochbegabter Mathematiker und Satiriker, fungierte als Mitherausgeber von Punch, dem berühmten englischen Wochenmagazin.

Wechselvolle Liebesbiografien und rastlose Reisetätigkeit charakterisieren die meisten 
der vorgestellten Autoren und Autorinnen. In keinem Fall sind sie besondere 
Kinderfreunde gewesen. Ihren Nachwuchs haben sie zwar geliebt, oft aber auch vernachlässigt. Der Erfolg – wo auch immer – gleicht eben einem aufreibenden Geschäft. Vorträge bilden die Grundlage zu den vorliegenden Aufsätzen; daher stört bisweilen die 
betonte Munterkeit des Ausdrucks. 
Dennoch: eine kenntnisreiche und unterhaltsame Lektüre für (junge) Erwachsene.


Bulletin Jugend & Literatur 12/ 2006

Rezension Heide Germann

Nicht immer sind Bücher über Bücher so unterhaltsam wie dieses, geschrieben von Wolfgang Günther, der 40 Jahre lang Dozent an den Schulen des Deutschen Buchhandels in Frankfurt/ Main war. Sein Schwerpunkt: englische Literatur. Im fundiert informativen Plauderton (was sich keineswegs widerspricht!) nimmt er 11 englische Kinderklassiker nebst Autoren (Carroll, Barrie, Stevenson, Kipling, Grahame, Milne, Nesbit, Burnett, Lofting, Travers und Rowling) unter die Lupe. Er skizziert Wesenart, Familiäres, Zeit und Milieu der Dichter, folgt Lebenswegen und – wirren, knüpft Bezüge zum Werk. 

Er umreißt punktuell Handlung, charakterisiert und hinterfragt Wesen und Tun der Buchhelden und ihre Wirkung auf Leser. Er analysiert Buchkompositionen und Motive, markiert Zeitbezüge, neue Akzente, Rezeption und Wirkungsgeschichte. Eine „nur“ kleine Auswahl, die es in sich hat! Sie ist weniger Leitfaden à la „Was soll mein Kind lesen“, vielmehr ein facettenreiches Werk für (Berufs-) Einsteiger wie Kenner, das Wissen vermittelt, Feingefühl für Buchbotschaften und Interpretation weckt und Lust macht, Klassiker neu zu lesen.


ID 18/ 06 –BA 6/06
Ekz-Informationsdienst



Vorwort: Eigentlich...
Lewis Carroll
Wunderland im Untergrund - und anderswo.
Die Abenteuer von Carrolls Alice
James Matthew Barrie
Wunderlicher Kampf ums Dasein.
Zwischen Einsamkeit und Egozentrik: Peter Pan
Robert Louis Stevenson
Wunderland im Zwielicht.
Stevensons "Schatzinsel"
Rudyard Kipling
Wildnis, Wölfe, Widerstände.
Mowgli und das Gesetz des Dschungels
Kenneth Grahame
Die Wunderwelt des Großen Pan.
Grahames nicht ganz unbedrohtes Arkadien
Alan Alexander Milne
Verzauberter Ort der Erinnerung.
Die Welt von Winnie the Pooh
Edith Nesbit
Anfechtungen des Alltags und merkwürdige Magie.
Fünf Romane der Edith Nesbit
Frances Hodgson Burnett
Die reine Freude am Sein.
Die Welt des "Geheimen Gartens"
Hugh Lofting
Doktor Dolittle und seine Tiere oder
Wie man die Welt ein wenig besser macht
Pamela Lyndon Travers
Ein Kindermädchen zwischen Alltag und Weltall:
Mary Poppins
Joanne Kathleen Rowling
Von einem, der auszog, das Zaubern zu
lernen. Die Geschichte des Harry Potter
Literaturanhang
Personenregister


Vorwort
Eigentlich 

... müsste der Untertitel dieses Buches anders lauten, nämlich:
"Von Alice bis Harry Potter." Aber da würde der schöne Gleichklang der drei P verloren gehen. Und außerdem haben Peter Pan und Harry Potter dies und jenes gemeinsam - wie man noch sehen wird.

Alice ihrerseits ist so selbstbewusst, dass ihr diese Unterschlagung ihres Namens wohl kaum etwas ausmacht. Zumal sie selbstverständlich ganz vorn im Buch steht. Ist sie doch die Erste, die den Weg in jenes Wunderland eingeschlagen hat, in dem sich seither all die anderen, Pan und Potter inbegriffen, getummelt haben und noch tummeln. 

Darüber hinaus hat Alice nicht nur einer Vielzahl wichtigtuerischer Großsprecher die kleine Stirn geboten und dabei sogar einem Paar (fast) waschechter Royals zu verstehen gegeben, wie lächerlich sie doch seien. Sie hat es, sehr spielerisch und nahezu nebenbei, auch fertiggebracht, eine Reihe von Regeln zu brechen, die ehedem als ehern und unumstößlich galten. Die fingen alle entweder so an:
"Kleine Mädchen tun das und das nicht" oder so: "Kleine Jungen haben das und das zu tun", worauf Begründungen folgten wie "weil es sich nicht schickt" oder "weil es sich so gehört." 

Schlicht gesagt bedeutete das:
"Der Junge geht hinaus, das Mädchen schafft zu Haus." Man ersetze den Jungen durch den Mann und das Mädchen durch die Frau, und man hat die maßgebliche Formel der Gesellschaft, aus der Alice sich herausbegibt, der viktorianischen nämlich. Wobei man das "Schaffen" der häuslichen Engel, wie die Damen der tonangebenden Schichten tatsächlich genannt wurden, nicht wörtlich nehmen muss. Gleichwohl waren die Bereiche ihrer Tätigkeiten abgesteckt und eng: Haus und Heim, Familie und Dienstboten, Salons und Soiréen.... Hingegen war des viktorianischen Gentlemans Feld die Welt. Wirklich: Die Welt schlechthin.
Imperien wie das weiland britische entstehen nämlich nicht von ungefähr. "We are British, aren't we?“ ermuntern sich die drei schiffbrüchigen Jungen in Ballantynes Klassiker "Coral Island" von 1858 gegenseitig. Und dann machen sie die Insel urbar und fürchten weder Kannibalen noch Piraten und sind so richtige kleine Welteroberer. 

Dergestalt war ein Rollenspiel vorgegeben, auch und gerade in der mehr und mehr gedeihenden Kinder - und Jugendliteratur des 19. Jahrhunderts. Die Haus - und Puppenmütterchen auf der einen, die kecken Jungmänner auf der anderen Seite. Kleine Erwachsene, die sich zwar noch nicht als solche verstehen konnten, aber doch zu begreifen hatten, dass es die großen Erwachsenen waren, die ihnen in solchen Büchern ihr Leben vorschrieben. 

Alice folgt nicht solcher Vorschrift - sie setzt sie außer Kraft. Sie spaziert, ein besonnenes und durchaus auch höfliches kleines Mädchen, durch die Wunderwelt, in die sie gefallen (und die ihr zugefallen) ist, genießt ein bisschen deren Verrücktheiten und erwehrt sich nach Kräften aller Zumutungen, wobei diese oft genug an die Beschwernisse jener wirklichen Welt erinnern, die ja, wie wir schon wissen, die Welt der Erwachsenen ist - zumindest, bis Alice in sie zurückkehrt. Denn da nimmt sie ihre Träume mit und etwas von dem neuen Bewusstsein, mit dem sie im Anderswo beschenkt worden ist und wovon sie ein Weniges sogar an die ältere Schwester weitergeben kann.

Auftritt einer kleinen Heldin. Wo sie geht und steht, wird die Bühne frei von all den wohlmeinenden und leider auch aufdringlichen Absichten, mit denen die Großen bis dahin die lieben und erst recht die weniger lieben Kleinen zu gängeln und zu formen suchten.

Die scheinbar für alle Ewigkeit gefertigten Kulissen werden stracks verrückt und eine andere Welt wird sichtbar - die Welt der Kindheit. Ein befreiendes Paradoxon ereignet sich. Indem die Phantasie ihr Recht beansprucht - um nicht zu sagen: an die Macht gelangt - schafft sie Platz für eine neue Wirk-lichkeit. Und die gehört den Kindern.

Das ist wahrhaft einzigartig. Es braucht Jahre, bis Alice Gesellschaft bekommt. Der unsterbliche Pinocchio springt 1883 ins Leben, zwei Jahre zuvor begibt Spyris Heidi sich unter die Leute. Der eine, als spaßiger Nichtsnutz vorgeführt und eben darum hinreißend, denn er ist ja nur deshalb nicht brauchbar, weil er stets auf der Suche nach ein bisschen Glück ist, wird leider am Ende in einen bis zur Fadheit wohlerzogenen "richtigen" Knaben transformiert. Die andere, das Naturkind, hat immerhin genug Lebenskraft, lies:
gesunden Verstand und Mutterwitz, um sich und anderen zu helfen. Eine kleine Rebellin ist sie freilich nicht. Die große Verweigerung schafft im Grunde nur einer, Mark Twains "Huckleberry Finn"(1885), der sich immer dann, wenn er ans Land und in die Gesellschaft der Erwachsenen gerät, in neue und schützende Identitäten flüchtet und damit allen Forderungen des so genannten normalen Daseins entzieht. Seine Abenteuer fügen sich zu einem der schönsten und größten Bücher aller Zeiten, doch sind sie, zumal in der Originalfassung, nur bedingt der Jugendliteratur zuzuschlagen. Vom "Huckleberry Finn" stamme die gesamte amerikanische Literatur ab, hat Hemingway erklärt, und wenn man die Dinge nicht thematisch verengt sieht, hat er wirklich recht.

Arno Schmidt wiederum hat behauptet, Carrolls "Silvie und Bruno" habe die Erzählstruktur für alle moderne Epik vor-gegeben. Kann sein, kann nicht sein, das Buch ist mitnichten Carrolls gelungenstes. Feststeht jedoch: Mit "Alice im Wunderland" hat er eine völlig neue Perspektive eröffnet, die sich auf einen in jenen Jahren noch unentdeckten Kontinent unseres Daseins richtet: Auf das kindliche Bewusstsein mit seinen Bilderwelten und Träumen, Sehnsüchten und Ängsten.
Es ist festzuhalten: Die englischsprachige Welt hat mehr bedeutende Bücher für junge Leserinnen und Leser hervorgebracht, als sich im literarischen Gesamtwerk aller anderen Länder zusammen finden lassen. Schon wahr, auch hierzulande gibt es klangvolle Namen - Erich Kästner, dessen "Emil und die Detektive" schon, beziehungsweise erst, 1929 erschien, Otfried Preußler, Michael Ende, Janosch, Cornelia Funke, um nur einige zu nennen. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang auch an Else Ury ("Nesthäkchen"), die, 66jährig, 1943 im KZ ermordet wurde. Und an Peter Mattheus (1897-1953), der in den 30ern ganz prächtige Bücher für Jungen schrieb: "Vier Jungen wissen sich zu helfen", "Robby kämpft um seine Freiheit." Sein richtiger Vorname war übrigens Adolph, aber den mochte er wohl nicht so sehr. Erwähnt seien auch Lisa Tetzner ( 1894 –1963) mit ihrer antifaschistischen Kinderodyssee „Die Kinder aus Nr. 67“ und ihr Mann Kurt Held (eigentlich Kurt Kläber- 1897–1959), emigriert 1933 in die Schweiz. Er schrieb u.a. die sozialkritischen Jugendbücher „Die rote Zora“ und „Die schwarzen Brüder“.
Dennoch. Der Erfolg angelsächsischer Kinder – und Jugendbücher in aller Welt ist nicht erst seit Harry Potter zu übertreffen. Natürlich hat die englische Sprache dazu beigetragen, ihre internationale Verbreitung zu fördern. Aber das ist es nicht allein. Der erste Weg ins Wunderland, den Carroll für sich und seine kleine Protagonistin gefunden hat, bliebt nicht der einzige, sondern nur einer von vielen, die sämtlich auf der großen und bunten Karte der britischen Bücherwelt verzeichnet sind. Und die sie erkundeten, all diese schreibenden Männer und Frauen, nahmen Dinge wahr, die ihresgleichen bis dahin nicht hatten. Sie brachten sie zur Sprache, mit Witz und außerordentlicher Phantasie und vor allem mit dem genial zu nennenden Geschick, selbst die fabelhaftesten Gegebenheiten so darzustellen, als seien sie wirklich und wahr.

Das Unbekannte ist vorstellbar, also lässt sich davon erzählen, in einer Art freilich, die schlüssig sein muss, um zu überzeugen. Eine wichtige Forderung, nicht ohne weiteres zu erfüllen. Man lernt da fast durchweg geschlossene Systeme kennen, von Peter Pans magischer Feen- und Piratenwelt und Mowglis Dschungel bis hin zu Grahames nicht unbedrohter Flussidylle und Rowlings Zaubererschule - wie sie da sind, haben sie ihre eigenen Gesetze und Gesetzmäßigkeiten.
Und: Dem Unerhörten wird nicht allein standgehalten, es wird auch regelrecht genossen!

Es kommt nicht von ungefähr, dass Morus sein "Utopia" in England entwarf, dass Swift den Gulliver erfand und Mary Shelley den Frankenstein - und dass auf demselben Nähr- und Erzählboden, der Alice und Peter Pan, Mary Poppins und Harry Potter hervorgebracht hat, gerade auch der Kriminalroman als anspruchsvolle Gattung eigener Art gediehen ist und gedeiht Gerade auch in diesem spiegeln sich wie in den Büchern der Autorinnen und Autoren, von denen alsbald die Rede sein wird, ganz im unverkennbar britische Weisen des Denkens und Empfindens: 

Der bekannte Common Sense, die Neigung zu Humor und Hintersinn, der feste Glaube an die eigenen Fähigkeiten (ohne den die Insulaner wohl kaum die Turbulenzen der Jahrhunderte überstanden hätten), dazu ein gut überlegter und oft listiger Pragmatismus, verbunden mit einer wohltuenden Ideologieferne. 

Wer wissen will, wie es in den Köpfen sehr vieler Briten aus allen Generationen aussieht, der sollte zu ihren klassischen Jugendbüchern greifen, denn die haben sie fast alle gelesen und aus denen beziehen sie wichtiges Gedankengut. 

Es wird jedoch nicht nur von diesen Büchern allein zu sprechen sein, sondern, mit einigem Nachdruck, auch von denen, die sie erdacht und aufgeschrieben haben. Denn ihre Lebenswege kreuzen sich aufs Augenfälligste mit jenen fiktiven, die sie eröffnet und bevölkert haben. Es wird zu zeigen sein, wie ganz bestimmte - und oft genug dunkle, ja bestürzende - Erfahrungen die Bilder und Ideen prägten, die sich alsdann zu Szenarien immer neuer erregender Geschehnisse verdichteten, Insofern gerieten gerade auch diese Lebenswege zu Pfaden ins jeweilige und eigenwertige Wunderland. 

Man bleibt nicht unbewegt, versucht man, sie nachzuzeichnen. Die meisten belegen, wie wir das von vielen Großen der Weltliteratur her kennen, dass schöpferisches Schreiben nicht zuletzt auch als Ausdruck von Widerstand zu deuten ist - gegen böse Heimsuchungen und Schicksalsschläge, deren zerstörerische Wucht auf solche Weise gebannt und umgestaltet wird.
"There is more treasure in books than in all the pirate's loot on Treasure Island...and best of all, you can enjoy these riches every day of your life", sagte Walt Disney, der im Weiteren nicht unerwähnt bleiben wird. Wenn dieses Buch einen Sinn hat, dann diesen: Zu solchen Schätzen hinzuführen, auf Wegen, die jenes Wunderland in seiner ganzen Pracht und Vielfalt begehbar machen, auf dass die Freude aufkomme, die der alte Magier von Hollywood so eindringlich pries.